189.736,33 Euro als Straßenausbaubeitrag
Juristisch sauberer Gebühren-Albtraum?
Nach jahrelangem Rechtsstreit hat das schleswig-holsteinische Oberverwaltungsgericht (OVG Schleswig) mit Beschluss vom 22. Oktober 2021 einen Antrag des Landwirts Ulrich A. aus Lütjenburg (Kreis Plön) auf Zulassung der Berufung abgelehnt und damit bestätigt: Die Stadt Lütjenburg hat Landwirt Ulrich A. in rechtmäßiger Weise mit einem Bescheid zu Ausbaubeiträgen in Höhe von insgesamt 189.736,33 Euro herangezogen.
Was ist der Fall?
Landwirt „Uli“ gehören sechs landwirtschaftlich genutzte Grundstücke an einer Straße im Außenbereich in der Stadt Lütjenburg. Die Sanierung der 5,50 Meter breiten und 950 Meter langen Straße im Jahr 2011 hat 600.000,- Euro gekostet. Davon hat die Stadt Lütjenburg etwa 400.000,- Euro auf sechs Anlieger umgelegt.
Die Stadt Lütjenburg hatte von Landwirt Uli zunächst knapp 218.000,- Euro verlangt. Er hat dagegen vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Die Schleswiger Richter zogen daraufhin einige Kosten ab – zum Beispiel für Straßenlaternen. Die Ursprungsforderung hat sich nach Einreichen der Klage damit um gut 28.000,- Euro reduziert, weil Kosten für die Straßenlaternen nicht umlagefähig gewesen seien. Zu einer Zahlung von 189.736,33 Euro hat die Stadt Landwirt Uli schließlich herangezogen. „Zu Recht“ – wie das OVG Schleswig nunmehr entschieden hat.
Ein sechsstelliger Betrag kommt selten auf einen einzelnen Anlieger zu
Die von dem Kläger vor dem OVG Schleswig geltend gemachten Gründe haben das Gericht nicht überzeugt. Insbesondere gebiete der angewandte Verteilungsmaßstab keine Gerechtigkeit im Einzelfall, sondern nur eine Typengerechtigkeit.
Die Summe ist hoch; sie ist aber letztlich auf den hier besonders hohen wirtschaftlichen Vorteil zurückzuführen, den der Kläger durch den Ausbau der Straße objektiv hat.
Straßenausbaubeitrag (auch) in Niedersachsen?
In Baden-Württemberg, Brandenburg, Bayern, Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen müssen Eigentümer gar nichts zahlen.
Im niedersächsischen Kommunalabgabengesetz (NKAG) sind Straßenausbaubeiträge in § 6 hingegen in Form einer „Kann“-Bestimmung enthalten. Den finanziell gesunden Städten und Gemeinden steht aufgrund der sogenannten „Kann“-Bestimmung die Möglichkeit offen, von einer Erhebung der Straßenausbaubeiträge abzusehen. Eine Rechtspflicht zur Erhebung gibt es nicht.
Die Höhe hängt unter anderem von den jeweiligen kommunalen Satzungen ab, von der Größe des Grundstücks und der Art der Straße. In der Satzung sind die Voraussetzungen genau zu bestimmen. Mindestvoraussetzung und zugleich inhaltliche Begründung für die finanzielle Heranziehung der Grundstückeigentümer ist ein durch die Ausbaumaßnahme herbeigeführter und potenziell greifbarer wirtschaftlicher Vorteil des Eigentümers.
Wenn man nicht enden will wie Landwirt Uli
Gründe, einen Straßenausbaubeitragsbescheid anzufechten, gibt es viele. Nicht für jede Straßenerneuerung muss man zahlen. Das gilt beispielsweise für Erneuerungen, die unsinnig sind oder die erforderlich werden, weil die frühere Herstellung mangelhaft war. Oft liegen Grenzfälle vor, bei denen notfalls gerichtlich entschieden werden muss, ob die Maßnahme tatsächlich eine Beitragspflicht auslöst oder nicht.
Auch Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen sind gegebenenfalls keine Verbesserung, die zu zahlen wäre. Selbst eine falsche Berechnung kann dazu führen, dass sich die Höhe des zu zahlenden Beitrages reduziert.
Das Schicksal von Landwirt Uli muss nicht jeder Niedersachse teilen.