Beleidigende Chat-Äußerungen können außerordentliche Kündigung rechtfertigen
Arbeitsrecht
Hintergrund
Ein Arbeitnehmer war seit 2014 mit fünf anderen Arbeitnehmern des Arbeitsgeber Mitglied einer Chatgruppe des Messengerdienstes WhatsApp. Die Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen des LAG Niedersachsen „langjährig befreundet“, zwei miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Arbeitnehmer in einigen seiner Chatbeiträge – wie auch verschiedene andere Gruppenmitglieder – in beleidigender, fremdenfeindlicher, sexistischer und menschenverachtender Weise über Vorgesetzte sowie Kollegen.
Ein vorübergehend angehöriges Mitglied der Chatgruppe zeigte den Chatverlauf einem Mitarbeiter, der davon eine Kopie an sich weiterleitete. Es entstand ein 316-seitges Word-Dokument mit dem Inhalt des Chatverlaufs. In der Folgezeit erlangte auch der Arbeitgeber Kenntnis vom Inhalt der Chatverläufe, woraufhin der Arbeitgeber letztendlich das Arbeitsverhältnis fristlos kündigte.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hannover sowie des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
Gegen die fristlose Kündigung wehrte sich der Arbeitnehmer mit seiner rechtzeitig beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Er meint, der Inhalt des Chatverlaufs habe vom Arbeitgeber nicht verwendet werden dürfen und dürfe auch im Rechtsstreit nicht verwertet werden, da es sich um einen reinen privaten Austausch gehandelt habe.
Das Arbeitsgericht Hannover gab dem Arbeitnehmer recht. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat die Berufung des Arbeitgebers zurückgewiesen.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Das Landesarbeitsgereicht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Äußerungen des Arbeitnehmers in der Chatgruppe kämen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht als wichtiger Kündigungsgrund gem. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, da es sich um eine vertrauliche Kommunikation gehandelt habe. Bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen über Betriebsangehörige bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer angesichts der Größe und Zusammensetzung des beteiligten Personenkreises berechtigt erwarten durfte, seine Äußerungen würden von keinem Gruppenmitglied an Dritte weitergegeben.
Zwar besteht bei ehrverletzenden Äußerungen über nicht anwesende Dritte in besonders engen Lebenskreisen eine beleidigungsfreie Sphäre, wenn die Äußerung Ausdruck des besonderen Vertrauens ist und keine begründete Möglichkeit ihrer Weitergabe besteht (vgl. BVerfG v. 17.3.2021 – 2 BvR 194/20).
Allerdings führt Verwandtschaft allein führt nicht zwingend zu Vertraulichkeit. Die Einordnung einer Beziehung als „langjährige Freundschaft“ ist hinsichtlich der zahlreich möglichen Abstufungen – zumal in einer Gruppe mit sieben Personen – ohne relevante Aussagekraft. Auch der Umstand, dass mobile Endgeräte in Verbindung mit den technischen Möglichkeiten des Messengerdienstes gerade auf leichte Kopierbarkeit und schnelle Weiterleitung eines Datenaustauschs angelegt sind, spricht gegen eine besondere Vertraulichkeit.
Kein Beweisverwertungsverbot
Weder die ZPO noch das ArbGG enthalten Bestimmungen, die die Verwertbarkeit von Erkenntnissen oder Beweismitteln einschränken, die eine Arbeitsvertragspartei – auch rechtswidrig – erlangt hat. Ein „verfassungsrechtliches Verwertungsverbot“ kommt nur in Betracht, wenn dies wegen einer grundrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Das verneinte das Bundesarbeitsgericht für den vorliegenden Sachverhalt.
Einzelfallbetrachtung
Letztlich kommt es im Rahmen einer fristlosen Kündigung auf den Einzelfall an. Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 24.8.2023 – 2 AZR 17/23 (LAG Niedersachsen, ArbG Hannover) kann mitgenommen werden, dass auch private Äußerungen eines Arbeitnehmers nicht per se einem Verwertungsverbot unterliegen.