Mein Kind chillt – mit Unterhalt?
Unterhaltspflichten im Gap Year
Auch das volljährige Kind hat regelmäßig noch einen Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt. Jedenfalls so lange, wie es sich in einer angemessenen Berufsausbildung befindet (§ 1610 Abs. 2 BGB).
Die Eltern haben dem Kind eine angemessene Ausbildung zu einem Beruf zu finanzieren, „die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und die sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält“ (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Mai 2001, Az. XII ZR 148/99). Davon umfasst ist eine Erstausbildung, ein Erststudium oder auch ein Studium, das auf die vorangegangene Ausbildung aufbaut.
Gegenseitigkeitsprinzip
Der Ausbildungsunterhalt ist vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Unterhaltsverpflichtung der Eltern steht die Obliegenheit des Kindes gegenüber, eine Berufsausbildung in einer angemessenen Zeit aufzunehmen und die Berufsausbildung mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden (so z.B. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2013, Az. XII ZB 220/12).
Angemessene Orientierungsphase
Hat das Kind nach dem Schulabschluss nicht direkt eine Berufsausbildung begonnen oder wechselt das Kind schon nach kurzer Zeit die begonnene Berufsausbildung, entfällt die Unterhaltspflicht der Eltern noch nicht. Dem Kind ist im Anschluss an den Schulabschluss eine Erholungsphase sowie eine angemessene Orientierungsphase zuzubilligen. Die Erholungsphase und die Orientierungsphase können je nach Alter, Entwicklungsstand und den sonstigen Lebensumständen des Kindes unterschiedlich lang sein.
Unterhalt im Gap Year
Wenn sich das Kind nach dem Schulabschluss für ein sogenanntes „Gap Year“, also ein „Lückenjahr“, entscheidet, entfällt grundsätzlich der Anspruch auf Kindesunterhalt. Das bloße Erholen von der Schulzeit oder das Herumreisen hat selten etwas mit der späteren Berufsausbildung zu tun. Auch übersteigt das Gap Year regelmäßig das Maß einer zuzubilligenden Erholungsphase.
Geht das volljährige Kind seiner Obliegenheit, zeitnah einer Berufsausbildung nachzukommen oder einer angemessenen Beschäftigung zu finden, nicht nach, obwohl es unter zumutbarem Einsatz seiner Arbeitskraft Einkommen erzielen könnte, ist ihm ein fiktives bedarfsdeckendes Einkommen anzurechnen (so z.B. Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 8. März 2012, Az. 2 WF 174/11). Ein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern besteht dann nicht mehr.
Dasselbe gilt für ein „Work and Travel“, eine Tätigkeit als Au Pair, unbezahlte Praktika oder ein Freiwilliges Soziales oder Ökologischen Jahr: Besteht kein Bezug zur späteren Berufsausbildung, besteht kein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern. Hinzu kommt, dass das Kind beim „Work and Travel“ oder als Au Pair eigenes Einkommen erzielt und Unterkunft und Verpflegung gestellt wird. Das Kind ist imstande, sich selbst zu unterhalten, sodass ein Unterhaltsanspruch auch mangels Bedürftigkeit (§ 1602 BGB) entfällt.
Unterhalt nach dem Gap Year
Beginnt das Kind nach dem Gap Year mit einer Berufsausbildung, lebt der Unterhaltsanspruch regelmäßig wieder auf. Der Anspruch des Kindes auf eine angemessene Ausbildung kann nur dann versagt werden, wenn das Kind über einen längeren Zeitraum seine Ausbildungsobliegenheit verletzt und den Eltern weitere Unterhaltsleistungen nicht mehr zugemutet werden können. Die Eltern können auf Unterhalt in Anspruch genommen werden, wenn sie unter Abwägung aller Umstände noch damit rechnen mussten (Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 5. Februar 2013, Az. II-7 UF 166/12).
Auch wenn die Unterhaltspflicht der Eltern mit Beginn des Gap Year regelmäßig endet, ist jedenfalls ab Beginn der Berufsausbildung wieder Kindesunterhalt zu leisten. Ob vom Regelfall abweichend eine Unterhaltspflicht auch während des Gap Year besteht oder der Unterhaltsanspruch des Kindes nach dem Gap Year nicht wieder auflebt, hängt vom Einzelfall ab.