Verbotene Zahlungen nach Insolvenzreife
Über die Gefahren von Verkürzungen des Gesellschaftsvermögens nach Eintritt der Insolvenzreife
Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen steigt. Folge der Insolvenz ist häufig, dass Gläubiger des betroffenen Unternehmens weitestgehend unbefriedigt bleiben. Mechanismen zur Ver-größerung des zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung stehenden Vermögens liegen insbe-sondere auch im Geschäftsführerhaftungsrecht. Der Insolvenzverwalter erhält hierüber Be-fugnisse, zugunsten der Insolvenzmasse Ansprüche gegen die Geschäftsleitung durchzuset-zen. Einer der in dieser Hinsicht hochrelevanten Tatbestände ist der des § 15b InsO, der dem Geschäftsführer Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife verbietet.
Persönliche Haftung des Geschäftsführers
Verstößt der Geschäftsführer gegen dieses Verbot, das Vermögen der Gesellschaft nach dem Eintritt der Insolvenzreife zu verkürzen, haftet er persönlich auf Erstattung der geleisteten Zahlungen. Insolvenzreife liegt bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vor. Eine Über-schuldung wird auf der Grundlage einer Vermögensübersicht der Gesellschaft ermittelt, wäh-rend die Zahlungsunfähigkeit auf die liquiden Mittel der Gesellschaft abstellt. Die letztge-nannte Variante ist diejenige, die praktisch häufiger zur Insolvenzeröffnung führt.
Wann liegt Zahlungsunfähigkeit vor?
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von einer Zahlungsunfähigkeit auszu-gehen, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine am bestimmten Stichtag fälligen Zah-lungspflichten innerhalb von spätestens drei Wochen zu mindestens 90 % zu erfüllen. Dar-aus folgt: Es ist nicht erforderlich, dass die Gesellschaft am jeweiligen Stichtag überhaupt keine Zahlungen mehr leisten kann. Vielmehr genügt es, wenn in Anbetracht der kommenden drei Wochen die tatsächlich vorhandenen oder innerhalb dieses Zeitraums beschaffbaren Mittel nicht genügen, um den erheblichen Großteil der fälligen Verbindlichkeiten zu tilgen. Dabei sind zusätzlich auch die in den kommenden drei Wochen noch fällig werdenden Ver-bindlichkeiten zu berücksichtigen.
Frühes Handeln dringend anzuraten
Daraus folgt, dass der für Geschäftsführer gefährliche Tatbestand des § 15b InsO häufig deutlich früher greifen dürfte, als man auf den ersten Blick annehmen mag. Ist etwa die Zah-lungsunfähigkeit eingetreten, ist jede von dem Geschäftsführer zulasten der Gesellschaft veranlasste Zahlung von diesem persönlich der Insolvenzmasse zu erstatten. Es kommt dafür nicht darauf an, ob der Geschäftsführer die Zahlungsunfähigkeit (oder Überschuldung) er-kannt hat. Die Hürden, sich von der Haftung zu entledigen, sind hoch.
Einzahlungen auf Konten im Soll
Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die für den Geschäftsleiter besonders gefährliche Fallgruppe der Einzahlung Dritter auf debitorische Bankkonten der Gesellschaft, also solche, die im „Minus“ stehen. Denn nimmt der Geschäftsführer derartige Einzahlgen (etwa aufgrund von Rechnungen der Gesellschaft) hin, werden hierdurch die Verbindlichkeiten der Gesell-schaft gegenüber der kontoführenden Bank gemindert, was wirtschaftlich einer Zahlung an die Bank entspricht. Damit kann es für eine Haftung des Geschäftsführers sogar ausreichen, dass er hinnimmt, dass Schuldner der Gesellschaft auf das entsprechende Bankkonto der Gesellschaft zahlen.
Versicherung abschließen lassen
Hieraus folgt: Der Geschäftsführer sollte bei den geringsten Zweifeln an der Zahlungsfähig-keit der Gesellschaft ohne Zögern prüfen lassen, ob Insolvenzreife vorliegt. Daneben lohnen sich Versicherungen zugunsten des Geschäftsführers, die den Geschäftsführer auch gegen eine Haftung nach § 15b InsO schützen können, sogenannte D&O-Versicherungen. Auf den Abschluss einer solchen Versicherung durch die Gesellschaft sollte der Geschäftsführer nöti-genfalls drängen.