Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen
Zwei wegweisende Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht hat in zwei aktuellen Entscheidungen vom 20.12.2022 zu Verjährung von Urlaubsansprüchen und zum Verfall von Urlaub aus gesundheitlichen Gründen Entscheidungen getroffen und seine Rechtsprechung weiterentwickelt bzw. geändert.
Urlaub verfällt nicht immer bei längerer Krankheit
Das Bundesarbeitsgericht entschied zum einen, dass der Jahresurlaub aus dem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, nicht einfach nach Ablauf eines Übertragungszeitraums verfallen darf, auch wenn der Arbeitnehmer anschließend länger erkrankt.
Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits in vorangegangenen Entscheidungen geurteilt, dass Urlaubsansprüche nur dann am Ende des Kalenderjahres oder einem zulässigen Übertragungszeitraum verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor durch Erfüllung seiner Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch auch tatsächlich wahrzunehmen.
Konnte der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen, war es nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts so, dass die gesetzlichen Urlaubsansprüche bei durchgehender andauernder Arbeitsunfähigkeit ohne weiteres mit Ablauf des 31.03. eines jeweiligen Jahres 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden waren, verfielen.
Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr weiterentwickelt. Zunächst hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass der Urlaubsanspruch mit Ablauf der 15-Monatsfrist weiterhin dann verfällt, wenn der Arbeitnehmer im Kalenderjahr durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war. Für diesen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten erfüllt hat, weil eine Mitwirkung des Arbeitgebers nicht dazu geführt hätte, dass der Arbeitnehmer den Urlaub aus freien Stücken hätte nehmen können.
Hat der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr noch gearbeitet?
Anders ist dies jedoch für das Urlaubsjahr zu bewerten, in dem der Arbeitnehmer noch gearbeitet hat. In dem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat und dann krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist, verfällt der Urlaubsanspruch nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Hat der Arbeitsgeber nicht mitgewirkt, so verfällt der Urlaubsanspruch für das Jahr, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, nicht mit Ablauf der 15-monatigen Frist.
In der 2. Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Urlaub knüpft das Bundesarbeitsgericht ebenfalls an die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers an.
Urlaub verjährt nicht automatisch nach 3 Jahren
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zwar der gesetzlichen Verjährung unterliegt. Allerdings beginnt die 3-jährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seine konkreten Urlaubsansprüche aufgeklärt hat und ihn aufgefordert hat, seinen Urlaub zu nehmen und ihn belehrt hat, dass Ansprüche anderenfalls verfallen bzw. verjähren.
Was bedeuten die Entscheidungen für die Praxis?
Für die Praxis bedeuten die beiden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, dass Arbeitgeber dringend gehalten sind, ihre Obliegenheiten zu erfüllen, indem sie dem Arbeitnehmer konkret die Anzahl der Urlaubstage, gegebenenfalls auch für vergangene Jahre, mitteilen und ihn auffordern, den Urlaub rechtzeitig zu beantragen, so dass er im laufenden Kalenderjahr genommen werden kann. Des Weiteren ist über die Konsequenzen, nämlich den Verfall und die Verjährung im Falle eines fehlenden Urlaubsantrags, hinzuweisen.
Für Arbeitnehmer bedeuten die beiden Entscheidungen, dass sie prüfen sollten, ob sie nicht für die vergangenen Jahre gegebenenfalls noch Urlaubsansprüche haben, die sie wegen fehlender Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers beantragen können.